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„Mit Lastenrädern lässt sich Geld verdienen“

Im Interview erklärt der Initiator des „Cargobike of the Year“ (CABOTY)-Awards, warum Lastenräder in der Logistik vor dem endgültigen Durchbruch stehen, welche Rolle die Elektrifizierung dabei spielt und was es noch braucht, die Erfolgsgeschichte des wiederentdeckten Transportmittels fortzuschreiben.

Herr Reichel, wie ist die Idee zum „International Cargobike of the Year“-Award entstanden?

JR: Eigentlich war es eine naheliegende Idee: Aus meiner Sicht zeichnete sich der Trend zum vermehrten Einsatz von Cargobikes bereits ab dem Jahr 2015 ab. In dem Jahr haben wir in der LOGISTRA auch das Trendthema Citylogistik erkannt und die Dauerserie „LOGISTRA City Check“ geschaffen, bei der wir über „Best Practice“-Beispiele grüner Stadtlogistik berichten. Schnell gesellten sich hier erste Cargobike-Anwendungen hinzu, die im Laufe der Zeit immer mehr wurden. Früh dran waren etwa GO! Express oder UPS, aber auch Start-ups wie Messenger in Berlin, Velocarrier in Stuttgart oder Velogista in Berlin, freilich mit hoher Improvisation bei der Technik. Ganz allmählich entwickelte und professionalisierte sich die Branche, sodass wir 2019 das Gefühl hatten, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, den Herstellern und der übrigens rasant wachsenden Cargobike-Industrie eine Bühne zu bieten und mit einem Award den Wettbewerb etwas anzustacheln. 

Gab es ein Vorbild?

JR: Vorbild war ganz klar unser „International Van of the Year“-Award, bei dem wir mit LOGISTRA die deutsche Mitgliedsplattform stellen und bei dem eine paneuropäische Jury seit 1992 den jeweils besten und innovativsten Transporter des Jahres prämiert. Der Mechanismus ist ähnlich: Im Wettbewerb soll ein Impuls zur Innovation entstehen und im Austausch mit der Jury in einem iterativen Prozess mit konstruktiver Kritik eine Verbesserung am Produkt. Innovative Lösungen sollen ausgezeichnet werden. Nach einer Pandemiepause 2020 haben wir im vergangenen Jahr den CABOTY zum zweiten Mal veranstaltet – und zusammen mit unseren Juroren das Gefühl, da ist jetzt wirklich Musik drin und es geht was. Bereits jetzt zeichnet sich zur IAA TRANSPORTATION ab, dass in diesem Jahr zahlreiche Neuheiten entwickelt und die bestehenden Modelle weiter verfeinert wurden. Die Jury freut sich schon sehr, die neuen Bikes in Hannover in Augenschein zu nehmen und vor allem auch selbst zu fahren.

Wie hat sich die Branche seither entwickelt?

Als ich etwa im Jahr 2012 zum ersten Mal über Lastenräder in der Logistik berichtet habe, etwa über das Pilotprojekt von UPS mit einem damals sensationell anmutenden schweren „Cargo Cruiser“, wurde man noch sehr dafür belächelt, es war ein Nischenthema für „Öko-Freaks“. Es mangelte tatsächlich an standhafter Technik, und die Vorreiter der Lastenradlogistik − Idealisten mit der Vision von besserer und emissionsfreier Last-Mile-Logistik, wie der 2019 viel zu früh verstorbene Gründer von Messenger Berlin Achim Beier − haben einen hohen Preis für ihre Hartnäckigkeit und ihr Durchhaltevermögen gezahlt. Allerdings haben diese Pioniere schon in frühen Projekten wie dem Mikrodepot-Konzept Bento Box festgestellt, dass das Potenzial in der Kombination Micro Hub/Bike gewaltig ist. 85 Prozent der Sendungen im Zustellgebiet ließen sich per Lastenrad befördern statt mit dem Verbrenner-Van. Schon damals beteiligt war übrigens auch Arne Behrensen von der Verkehrswendeplattform cargobike.jetzt, der auch die Radlogistik-Konferenz des Radlogistik Verbands Deutschland e. V. (RLVD) organisiert. Er wies bereits zu diesem frühen Zeitpunkt darauf hin, dass Cargobikes eben nicht nur Emissionen und Geld sparen, sondern auch Zeit, ein seither noch deutlich wichtigerer Faktor in Zeiten der „Sofortness“ und von kurzen Lieferfenstern. Auch das wegweisende DLR-Projekt „Ich ersetze ein Auto“ zeigte die großen Potenziale auf, die Lastenräder im gewerblichen Einsatz für Klimaschutz und Emissionsreduktion in der Stadt haben könnten. Allein, es fehlte die skalierbare Technik, die so robust war, wie es die Logistiker aus der Autoindustrie gewohnt waren. Der sogenannte „Business Case“ war mit häufig hakender oder ausfallender Technik nicht oder nur sehr schwer darzustellen.  

Lässt sich denn heute ein Geschäft machen mit Cargobikes?

JR: Definitiv! Denn zehn Jahre nach den Pioniertaten kann man sagen, dass die Industrie sich professionalisiert hat und anders als am Anfang Logistiker auf gewerblich ausgerichtetes Gerät zurückgreifen können. Mit Lastenrädern lässt sich Geld verdienen. Teils kommen Wechselboxen zum Einsatz, Standardisierung ist ein in der Branche heiß diskutiertes Thema. Motorradtechnik oder noch besser spezielle Lastenradkomponenten kommen auf, ebenso wie stabiler Rahmenbau. Zu Beginn waren das ja Bike-Modelle aus dem B2C-Segment, bei denen vor allem die Reifen, Felgen, aber auch Rahmen nicht den hohen alltäglichen Belastungen gewachsen waren. Es ist eben etwas anderes, ob man nur ein paar Einkäufe oder die Kids transportiert oder Palettenware mit 200 bis 300 Kilo Gewicht.   

Und welche Rolle spielt die Elektrifizierung dabei?

JR: Eine ganz entscheidende! Ohne die Skalierung durch den Boom bei den Pedelecs, die einen millionenfachen Einsatz von E-Antrieben ermöglichte und auch zahlreiche Autozulieferer wie Bosch, Brose, Mahle oder Schaeffler, hier zusammen mit Heinzmann, auf den Plan rief. Mittlerweile kommen erste „digitale“ Lösungen auf den Markt, bei denen es überhaupt keine Kette mehr gibt, sondern der Tretimpuls per Generator auf einen E-Motor übertragen wird. Generell differenziert sich auch hier das Feld: Ein Motor für ein schweres E-Cargobike muss natürlich mehr leisten als der Antrieb für ein „Taxi Mama/Papa“. Klar, dass auch leistungsfähige Lithium-Ionen-Akkus mit Wechselsystemen während des Einsatzes essenziell sind. 

Und der andere Metatrend Digitalisierung, spielt der beim Bike auch eine Rolle?

JR: Selbstverständlich ist das ein wichtiger Aspekt. Denn wenn die Logistiker, wie es zunehmend geschieht, mit den Bikes Transporter ersetzen, müssen die Räder natürlich auch in die Telematiksysteme und Disposition einbindbar sein. GPS-Module sind also durchaus üblich, das voll vernetzte Cargobike keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Das hat auch den wichtigen Aspekt des Diebstahlschutzes und des GPS-Trackings für den Fall. 

Was braucht es noch für einen größeren Durchbruch der Bikes in der Logistik?

JR: Ganz klar, neben der Technik, die allmählich ein auch durch mittlerweile gängige Leasingoptionen von den Gesamtbetriebskosten akzeptables Niveau erreicht hat, müssen die Preise runter. Im Verhältnis zu einem Transporter, bei dem die Hersteller seit Jahrzehnten die Kosten per Skalierung immer weiter gesenkt haben, sind die E-Cargobikes immer noch ganz schön teuer. Allerdings sparen sie dann im Betrieb massiv, das darf man bei der Kalkulation nicht vergessen. Zudem sind sie eine für den Fall von Einfahrtsbeschränkungen zukunftssichere Lösung. Wünschenswert wäre in jedem Fall eine bundesweite und so üppige Förderung wie bei E-Autos oder E-Nutzfahrzeugen, zumindest für den sogenannten Markthochlauf, wie er bei E-Fahrzeugen allmählich zum Ende kommt. Es gibt aktuell einen ziemlichen Flickenteppich regionaler und kommunaler Förderungen. 

Und welche Rolle spielt die Infrastruktur?

JR: Ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor ist eben das Zusammenspiel mit der Infrastruktur: Die Städte müssen Flächen für Mikrodepots als Umschlag- und sichere Abstellplätze schaffen, das ist für Logistiker, speziell aus der Start-up-Szene sonst finanziell nicht zu stemmen. Hier konkurriert man schließlich am heißlaufenden innerstädtischen Immobilienmarkt. Hier braucht es kreative Lösungen, etwa mit der Nutzung von Parkhäusern, frei werdenden Kaufhäusern oder Brachflächen, es braucht den Willen der Kommunen. Dann muss auch die Straßeninfrastruktur dem „neuen“, eigentlich ja aus den 1920er-Jahre stammenden Transportmittel, Rechnung tragen: Cargobikes sind trotz ihrer Zierlichkeit im Vergleich zu Transportern zu breit für die üblichen Radwege, sie müssen die Straßen benutzen können, daher wäre das Regeltempo 30, ein Schlüsselelement der Verkehrswende, auch so wichtig. Auch über die Tempobegrenzung auf 25 km/h und die für bis zu 500 Kilo schweren Cargobikes unpassende 250-Watt-Begrenzung nach Vorgabe der Pedelecs sollte man nachdenken. Denn nur in Kombination und im Gesamtsystem aus Bike, Hub und Infrastruktur können Cargobikes in der Citylogistik den Durchbruch schaffen – und die Rolle des „Gamechangers“ übernehmen, die ihnen die Pioniere der Branche schon immer zugetraut haben.

Foto: Citkar

Und der andere Metatrend Digitalisierung, spielt der beim Bike auch eine Rolle?

JR: Selbstverständlich ist das ein wichtiger Aspekt. Denn wenn die Logistiker, wie es zunehmend geschieht, mit den Bikes Transporter ersetzen, müssen die Räder natürlich auch in die Telematiksysteme und Disposition einbindbar sein. GPS-Module sind also durchaus üblich, das voll vernetzte Cargobike keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Das hat auch den wichtigen Aspekt des Diebstahlschutzes und des GPS-Trackings für den Fall. 

Was braucht es noch für einen größeren Durchbruch der Bikes in der Logistik?

JR: Ganz klar, neben der Technik, die allmählich ein auch durch mittlerweile gängige Leasingoptionen von den Gesamtbetriebskosten akzeptables Niveau erreicht hat, müssen die Preise runter. Im Verhältnis zu einem Transporter, bei dem die Hersteller seit Jahrzehnten die Kosten per Skalierung immer weiter gesenkt haben, sind die E-Cargobikes immer noch ganz schön teuer. Allerdings sparen sie dann im Betrieb massiv, das darf man bei der Kalkulation nicht vergessen. Zudem sind sie eine für den Fall von Einfahrtsbeschränkungen zukunftssichere Lösung. Wünschenswert wäre in jedem Fall eine bundesweite und so üppige Förderung wie bei E-Autos oder E-Nutzfahrzeugen, zumindest für den sogenannten Markthochlauf, wie er bei E-Fahrzeugen allmählich zum Ende kommt. Es gibt aktuell einen ziemlichen Flickenteppich regionaler und kommunaler Förderungen. 

Und welche Rolle spielt die Infrastruktur?

JR: Ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor ist eben das Zusammenspiel mit der Infrastruktur: Die Städte müssen Flächen für Mikrodepots als Umschlag- und sichere Abstellplätze schaffen, das ist für Logistiker, speziell aus der Start-up-Szene sonst finanziell nicht zu stemmen. Hier konkurriert man schließlich am heißlaufenden innerstädtischen Immobilienmarkt. Hier braucht es kreative Lösungen, etwa mit der Nutzung von Parkhäusern, frei werdenden Kaufhäusern oder Brachflächen, es braucht den Willen der Kommunen. Dann muss auch die Straßeninfrastruktur dem „neuen“, eigentlich ja aus den 1920er-Jahre stammenden Transportmittel, Rechnung tragen: Cargobikes sind trotz ihrer Zierlichkeit im Vergleich zu Transportern zu breit für die üblichen Radwege, sie müssen die Straßen benutzen können, daher wäre das Regeltempo 30, ein Schlüsselelement der Verkehrswende, auch so wichtig. Auch über die Tempobegrenzung auf 25 km/h und die für bis zu 500 Kilo schweren Cargobikes unpassende 250-Watt-Begrenzung nach Vorgabe der Pedelecs sollte man nachdenken. Denn nur in Kombination und im Gesamtsystem aus Bike, Hub und Infrastruktur können Cargobikes in der Citylogistik den Durchbruch schaffen – und die Rolle des „Gamechangers“ übernehmen, die ihnen die Pioniere der Branche schon immer zugetraut haben. 

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