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IAA Voices: Interview ENGINIUS

ENGINIUS ist eine Tochtergesellschaft der FAUN Gruppe, die Fahrzeuge mit alternativen Antrieben herstellt und sich den klimaneutralen Lastverkehr zum Ziel gesetzt hat. Im Bremer Werk arbeitet derzeit ein Team von 80 SpezialistInnen. Die FAUN Gruppe beschäftigt weltweit mehr als 2.000 Mitarbeitende. Der Aufbauhersteller ist in Europa einer der führenden Anbieter von Abfallsammelfahrzeugen und Kehrmaschinen und unterhält nun zwölf Werke in sieben Ländern. Stammsitz der Gruppe ist in Osterholz-Scharmbeck, Niedersachsen. FAUN ist Teil der KIRCHHOFF Ecotec, der Umweltsparte der weltweit agierenden KIRCHHOFF Gruppe. Der Unternehmensverbund KIRCHHOFF erwirtschaftete 2021 mit 12.200 Mitarbeitenden einen Umsatz von 2,2 Mrd. Euro in den vier Geschäftsbereichen Automotive, Werkzeuge, Fahrzeugumbauten und Kommunaltechnik. Zum Konzern gehören 56 Werke in 22 Ländern auf fünf Kontinenten.

Patrick Hermanspann ist seit 2013 als CEO der FAUN Gruppe tätig. Zuvor war er über zehn Jahre in verschiedenen Positionen in der Unternehmensgruppe beschäftigt. Bild: ENGINIUS (FAUN Gruppe)

Seit nunmehr neun Jahren als CEO legt er besonderen Fokus auf die Themenfelder alternative Antriebe, Innovationen und Digitalisierung. Diese treibt er innerhalb der global agierenden FAUN Gruppe stetig voran. Als Vater ist es ihm persönlich sehr wichtig, mit den Fahrzeugen einen Beitrag zu einer sauberen Umwelt leisten zu können.

FAUN hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einen Namen gemacht als Aufbauhersteller für Kehr- und Müllsammelfahrzeuge. Mit dem neuen Tochterunternehmen Enginius setzen Sie bei Nutzfahrzeugen wie dem Bluepower und dem Citypower nun voll auf die Karte Wasserstoff. Was steckt dahinter?

Wir bei FAUN haben bereits vor vielen Jahren, nämlich 2006, das erste elektrische Müllfahrzeug realisiert. Der Grund ist der Einsatz eines Müllsammelfahrzeuges: Ein solches Fahrzeug stoppt 800-mal am Tag. Das bedeutet 800-mal Bremsenergie und 800-mal Feinstauberzeugung. Die Bremsenergie wollten wir nutzen. Man kennt es zum Beispiel von Straßenbahnen, dort wird schon seit Langem rekuperiert. Das haben wir uns schon damals zu Eigen gemacht und elektrische Antriebe auf die Beine gestellt.

Allerdings wurde die Klimakrise nicht so heiß diskutiert, so dass viele Kunden die Mehrkosten zu dieser Zeit nicht decken konnten. Nichtsdestotrotz haben wir weitergemacht und ab 2011 das erste Fahrzeug mit einer Brennstoffzelle zwei Jahre lang im Dauereinsatz in einem Projekt mit der Berliner Stadtreinigung gehabt.

In diesen zwei Jahren hat sich sehr deutlich gezeigt, dass die Brennstoffzelle ein hervorragendes Aggregat für den mobilen Einsatz ist und dass sie diesen Einsatz ohne Probleme übersteht. In den Folgejahren haben wir ein Konzept und Studien erstellt. All das hat schließlich sehr viel mehr Anklang gefunden, so dass wir seit 2019 bereits 21 Wasserstoff-Fahrzeuge bei unseren Kunden im Einsatz haben. Bis zum Ende des Jahres 2022 werden es bereits 100 sein.

Darüber hinaus sind wir der erste Fahrzeughersteller, der europaweit eine Typengenehmigung für einen elektrisch betriebenen Lkw mit Wasserstoffbrennstoffzelle erhalten hat, den Citypower, den wir in diesem Jahr auf der IAA TRANSPORTATION erstmals vorstellen werden.

Angesichts der langen Vorgeschichte verfügen Sie bereits über einige praktische Erfahrungen mit wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen. Welche sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Es gibt über den langen Zeitraum tatsächlich bereits einen großen Erfahrungsschatz. Wir haben bisher 21 im Einsatz befindliche Fahrzeuge. Dabei haben wir natürlich viel gelernt, insbesondere hinsichtlich der Stabilität. Klar ist zudem: Mit der Brennstoffzelle hat man nicht mehr das Problem des Transports, der Zwischenspeicherung und der Verteilung der Energie. Außerdem fallen die langen Tankzeiten und hohen Ladeleistungen weg. Ich bin überzeugt, dass die Ausweitung der Infrastruktur mit Wasserstoff schneller möglich ist, als es mit einem reinen Batteriefahrzeug möglich ist.

Wo stehen wir denn aktuell beim Thema Infrastruktur?

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Infrastruktur in den kommenden Jahren mitwächst. In Europa gibt es aktuell über 150 Wasserstofftankstellen, in Deutschland allein sind es 95, die bereits seit vielen Jahren in Betrieb sind und auch von unseren Kunden genutzt werden. In den nächsten Jahren wird die Auslastung höher werden. Bei den Infrastruktur-Anbietern laufen wir in offene Arme, weil diese natürlich auf eine höhere Abnahme angewiesen sind. Die Motivation bei den Anbietern, die Infrastruktur weiter auszubauen, ist vorhanden und sie steigert sich mit dem Absatz an Fahrzeugen. Wir sind diesbezüglich ständig in Gesprächen mit denjenigen, die dafür konkrete Pläne haben.

Mit Enginius streben Sie laut eigener Aussage die europäische Marktführerschaft im Bereich der wasserstoffbetriebenen Lkw bis 2030 an. Was macht Sie zuversichtlich, dass das tatsächlich funktionieren kann?

Zuversichtlich macht mich, dass wir sehr, sehr früh dabei sind. Viele Hersteller sprechen noch von Ankündigungen beziehungsweise in der Zukunftsform. Wir hingegen können aufgrund unserer langjährigen Erfahrung bereits in der Gegenwart formulieren. Um unsere Absatzziele zu erreichen, müssen wir den heutigen Produktionsstandort in Bremen noch mal deutlich erweitern. Dann gehen wir über alle Modelle hinweg von einer Jahreskapazität von insgesamt über 5.000 Fahrzeugen aus.

Worauf dürfen sich die Besucher der IAA TRANSPORTATION am Stand von FAUN/Enginius in diesem Jahr ganz besonders freuen?

Wir zeigen den Besuchern der IAA TRANSPORTATION, dass aus unmöglich unglaublich werden kann. Mit Enginius haben wir es geschafft, die ersten Wasserstoff-Lkw mit EU-Typenzulassung auf die Straße zu bringen. Wir werden die Besucher also mitnehmen in eine neue klimaneutrale Zukunft. Dafür schaffen wir die passende Atmosphäre und auf den täglichen Test Drives kann jeder das Wasserstoff-Fahrgefühl gleich selbst erleben. Wir freuen uns sehr auf die IAA TRANSPORTATION.