Peter Fintl (Vice President Technology & Innovation, Capgemini Engineering), Sebastian Tschödrich (Executive Vice President Automotive, Capgemini)

Wofür steht Capgemini und was sollte jeder IAA-Besucher unbedingt über das Unternehmen wissen? 

Sebastian Tschödrich: Die Nutzfahrzeugbranche muss wie die gesamte Automobilindustrie mehrere Transformationen gleichzeitig meistern. Der Umstieg auf nachhaltige Antriebsformen, die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle, wie Mobility-as-a-Service und Subskriptionsmodelle, sowie das dazu notwendige Software-Defined Vehicle-Konzept, stellen die Branche vor Herausforderungen, bieten aber auch große Chancen. In diesen Zeiten ist es für Unternehmen wichtiger denn je, einen Partner an der Seite zu haben, der sie bei ihrer Business-und Technologie-Transformation unterstützt.

Peter Fintl: Wir befassen uns mit der gesamten Bandbreite geschäftlicher Anforderungen. Von Strategie über Konzept und Engineering bis hin zu IT und Betriebsmanagement. So können wir Kunden ganzheitliche Lösungen liefern, bis hin zu maßgeschneiderten End-to-End-Ansätzen. Es ist unsere Aufgabe, Kunden dabei zu helfen, technologische Möglichkeiten wie generative KI, intelligente Software oder nachhaltige Batteriesysteme erfolgreich und profitabel in kundenrelevante Innovationen umzusetzen.

Wie trägt Capgemini zur Weiterentwicklung und Transformation der Nutzfahrzeugbranche bei? 
Sebastian Tschödrich: Capgemini verfügt über die strategische Erfahrung und das Transformations-Know-how, um Hersteller dabei zu unterstützen, die vielzähligen Chancen der Branche zu ergreifen. Wir unterstützen unsere Kunden dabei, die für sie richtige EV-Technologie zu verfolgen und die digitale Transformation zu stemmen. Außerdem helfen wir unseren Kunden, das Potenzial der Vernetzung und des Ökosystemdenkens auszuschöpfen. Mit unserem Commercial Vehicle Acceleration Hub bündeln wir schließlich unsere Erkenntnisse aus allen Bereichen von Capgemini, um die Nutzfahrzeugbranche End-to-End zu transformieren.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung und dem Betrieb von Software-Defined Vehicles? 

Peter Fintl: Das Software-definierte Fahrzeug ist in aller Munde, jedoch kein Selbstzweck! Es ist vielmehr ein Mittel zum Zweck, um nicht nur die Betriebskosten zu optimieren, nachhaltigere Mobilität zu ermöglichen, sondern auch neue Kundenfunktionen rasch und über die Lebensdauer des Fahrzeugs zu implementieren. Die Herausforderungen dabei sind mannigfaltig. Einerseits müssen Unternehmen ihre neuen Kernkompetenzen definieren, ein leistungsfähiges Partnernetzwerk aufbauen und den vielzitierten „Software Spirit“ in ihre Entwicklungsmannschaft tragen. Andererseits gilt es, die Balance zu finden zwischen Entwicklungskosten, Geschwindigkeit sowie Produktfunktion und -qualität. Capgemini sieht in dieser Konvergenz von IT, Fahrzeugsoftware und klassischem Engineering eine große Chance. Wir haben unser weltweites Entwicklungsnetzwerk nach diesen Gesichtspunkten gestaltet, um unsere Kunden nicht nur inhaltlich zu begleiten, sondern auch in Sachen Entwicklungseffizienz eine signifikante Weiterentwicklung zu ermöglichen.

Sebastian Tschödrich: Ein softwaregesteuerter Transformationsansatz ist von entscheidender Bedeutung, um die Geschwindigkeit und den Erfolg künftiger Innovationen in der Nutzfahrzeigebranche zu gewährleisten. Die Herausforderung hierbei sehen wir darin, das passende Leadership und Organisations-/ Zusammenarbeitsmodell zu nutzen und einen konsolidierten Ansatz für Daten, Informationen und Sicherheit sicherzustellen.

Welche technologischen Entwicklungen sehen Sie als besonders entscheidend für den Erfolg nachhaltiger Antriebe im Nutzfahrzeug-Bereich? 

Peter Fintl: Die Dekarbonisierung für den Bereich Nutzfahrzeuge und Off-Highway ist für die Branche mittelfristig ohne Alternative. Vielfach werden E-Fuels bzw. Bio Fuels als vielversprechende Maßnahmen gesehen, um die Bestandsflotte CO2-neutral betreiben zu können. Allerdings stehen der breiten Einführung eine mangelhafte Gesamteffizienz sowie eine begrenzte Verfügbarkeit grüner Energie entgegen. E-Fuels werden daher auf Segmente beschränkt bleiben, in denen sie alternativlos sind. Brennstoffzellenfahrzeuge sind aus technologischer Sicht einsatzbereit und stellen eine interessante Anwendung für die Wasserstoffwirtschaft dar. Allerdings ist auch hier die gesamte Effizienz teils nur wenig besser als bei den extrem ausgereiften klassischen Verbrennern. Der batterieelektrische Antrieb ist in Sachen Wirkungsgrad ungeschlagen. Fortschritte in der Batterietechnologie ermöglichen schon heute in vielen Anwendungsszenarien vorteilhaftere Betriebskosten von BEVs im Vergleich zum Diesel. Dazu gehört nicht nur der Verteilerverkehr, sondern auch etwa Busse. Selbst im Fernverkehr zeigt die Branche schon heute vielversprechende Modelle.

Sebastian Tschödrich: Auch wenn der Trend klar neuen, nachhaltigen Antrieben geht – klassische Antriebe werden in der Nutzfahrzeugbranche über Jahrzehnte weiterhin eine Rolle spielen. Unternehmen stehen damit vor der Herausforderung, die technologische Vielfalt darzustellen. Effizienz in der gesamten Wertschöpfungskette vom Engineering über die Produktion bis zum Vertrieb sind erfolgskritische Faktoren.

Wie können innovative Geschäftsmodelle wie Abo-Modelle und Pay-per-Use die Transformation vorantreiben? 

Sebastian Tschödrich: Geschäftsmodelle wie Abo-Modelle können die finanzielle Planbarkeit deutlich erhöhen. Vor allem durch die deutlich besser planbareren Costs of Ownership dank solcher Modelle, können Unternehmen enorm profitieren und Sicherheiten gewinnen. Diese Sicherheiten, übertragen in Aufträge wiederum helfen der Nutzfahrzeugbranche, die Transformation erfolgreich weil finanziell robust zu meistern.  

Peter Fintl: Um diese neuen Geschäftsmodelle zu ermöglichen, sind leistungsfähige Hardware- und Softwareplattformen notwendig. Wir helfen unseren Kunden, nicht nur bei der Entwicklung entsprechender Fahrzeugarchitekturen sondern auch bei der Konzeption und Einführung entsprechender Backend-Systeme, um eine durchgängige digitale Plattform zu ermöglichen.

Welche langfristigen Trends sehen Sie als maßgeblich für die Entwicklung der Branche? 

Sebastian Tschödrich: Der "Trend” ist nicht neu, dennoch von enormer Relevanz – so sehe ich den Einsatz von KI, um Ineffizienzen zu erkennen und zu verringern, im Fokus. Aber auch Technologien rund um IoT,um Dateneinblicke im gesamten Transportökosystem zu verknüpfen sowie die genannten Technologien für den nachhaltigen Antrieb werden die Branche langfristig begleiten.

Peter Fintl: Aus meiner Sicht sind zudem Nachhaltigkeit, besonders CO2-Reduktion, Effizienz sowie neue Erlösquellen die bestimmenden Themen der Branche. Transversale Technologien wie Elektrifizierung und generative KI sowie Service-orientierte Geschäftsmodelle werden die Entwicklungen der nächsten Jahre prägen. Nicht nur gesetzliche Vorgaben treiben den Wandel. Zusätzlich erhöhen neue globale Wettbewerber den Druck zur Transformation. Es gilt, weiterhin Vollgas bzw. Vollstrom zu geben!

 

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