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Logistik 4.0: Mehr Digital wagen
Der Handel verändert sich rasant – und damit auch die Logistik. Digitalisierung ist auch hier unausweichlich. Welche Vorteile sie bringt und wie vernetzte Maschinen die Menschen entlasten können.
Ein Mausklick genügt, und binnen weniger Stunden ist das Paket an der Haustür. Lebensmittellieferungen innerhalb von zehn Minuten, immer individueller angefertigte Produkte oder Pakete, die ruckzuck per Last-Mile-Lösung nach Hause transportiert werden – all dies ist bereits heute möglich. Dazu hat sich der Service rund um das Thema Lieferungen und Logistik stark verbessert, erkennbar zum Beispiel an kostenlosen Retouren, und die ständig steigende Vielfalt an erhältlichen Artikeln. Die Logistikbranche als einen der weltweit wichtigsten Wirtschaftsfaktoren stellt all das vor besondere Herausforderungen. Täglich werden Milliarden Tonnen Güter bewegt. Allein der Logistikmarkt Europa belief sich 2020 auf 1.115 Milliarden Euro, weltweit sind es mehr als 5,5 Milliarden Euro. Tendenz steigend: In Deutschland erhöhte sich zumindest der Umsatz der Logistikbranche seit 1995 um mehr als 250 Prozent. Gleichzeitig wandelt sich die Branche enorm, um mit neuen Ideen die beschleunigte, digitale Warenwelt zu gestalten.
Das geht nicht ohne zunehmende Digitalisierung: Ziel ist es, das richtige Produkt in der richtigen Qualität sowie Menge und richtigen Zeit am richtigen Ort zu den richtigen Kosten zu haben. Dabei hilft die IT – sie wird für die Logistik zum wichtigen Faktor für die Wettbewerbsdifferenzierung. Sie macht die sogenannte Collaboration erst optimal möglich: Mit ihr lässt sich eine gemeinsame digitale Plattform schaffen, die alle Akteure in den Prozessablauf einbezieht.
Logistik 4.0: Lösungen, um komplexe Prozesse zu vereinfachen
Denn die Prozesse, die hinter der Bereitstellung von der Produktion bis zum Endverbraucher stecken, werden immer komplizierter und undurchsichtiger. Die Logistik, wie sie vor ein paar Jahren noch funktioniert hat, stößt an ihre Grenzen. Denn bislang agierten alle Akteure einzeln und getrennt voneinander an einer starren hochkomplexen Kette mit vielen Beteiligten, darunter Besteller, Lieferanten, Spediteure, Lager, Hubs, Zoll, Servicedienstleister und Empfänger. Damit Versorgungsprozesse reibungslos und zuverlässig verlaufen, müssen Logistiker all diese Akteure miteinander vernetzen.
Die entscheidenden Fragen sind also: Wie lassen sich Prozesse flexibilisieren, Informationen so miteinander kombinieren, dass sich Waren und Güter in Echtzeit verfolgen lassen (Tracking and Tracing). Wie lassen sich digitale Services in die internationalen Netzwerke einbinden? Die Digitalisierung bietet hier eine einmalige Chance, interaktiver, schneller, sicherer sowie zuverlässiger operieren und kommunizieren zu können.
Forscher haben hierfür die Begriffe Industrie 4.0 und Logistik 4.0 etabliert. Bedingt durch die zahlreichen Veränderungen der Digitalisierung, befinden wir uns ihnen zufolge mitten in einer vierten Industralisierungswelle – in der auch die Logistik eine entscheidende Rolle spielt. Denn im Gegensatz zu bisherigen Verfahren schafft eine digitalisierte Logistik Schnittstellen, die es sämtlichen am Lieferprozess beteiligten Stellen ermöglichen, zu kommunizieren. Nicht nur Prozesse, sondern auch Objekte, Lieferanten, Hersteller, Händler und Kunden werden miteinander vernetzt – in jedem einzelnen Schritt.
Intelligente Prozesse – mehr Flexibilität
Mithilfe von digitalen Plattformen lassen sich Prozesse und Objekte schaffen, die sich selbst steuern und organisieren – zum Beispiel „intelligente“ Behälter, Smart Devices wie etwa Virtual-Reality-Brillen, Drohnen, Kommissionierroboter und Schwärme sich selbst steuernder Fahrzeuge. Zur Lokalisierung verwenden sie GPS-Signale, identifizieren sich mit Barcodes, RFID und Sensoren und sie tauschen sich beispielsweise über cloudbasierte Lösungen aus. Damit können die Systeme miteinander kommunizieren, voneinander lernen, Entscheidungen treffen und sich selbst überwachen („Smart Logistics“). Beispiel: In einem Lager überprüfen Drohnen mittels Kameras die Bestände in den Hochregalen. Fehlt etwas, wird dies gemeldet und zeitnah ein Bestellprozess ausgelöst. Die Lieferung nehmen automatisierte Gabelstapler entgegen und füllen das Regal wieder auf. So werden Prozesse flexibler und effizienter.
Wichtig ist dabei: Es geht bei der Digitalisierung in der Logistik nicht darum, eine Vollautomatisierung zu erreichen. Das hält die Bundesvereinigung Logistik (BVL) in einem Positionspapier fest: Vielmehr sollen Maschinen und Menschen miteinander vernetzt werden und selbstgesteuerte „Regelkreise“ geschaffen werden – von der Sensorik über den handelnden Menschen, die operative Maschine, die Datenverarbeitung bis hin zur Rückmeldung an Mensch oder Maschine. Sensoren erfassen Veränderungen, wie das bereits erwähnte leere Fach im Hochregal und geben dies an die Mitarbeitenden weiter, die die Daten überprüfen und über das weitere Vorgehen entscheiden können.
Dabei hilft auch Künstliche Intelligenz (KI), die beispielsweise über Daten zu vorherigen Bestellprozessen verfügt und somit beraten kann, in welcher Menge nachbestellt werden sollte. Alle Informationen werden solange weiterverarbeitet, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist. Auf ähnliche Weise lassen sich bei der Planung von Zustellrouten der Paketdienste oder anderen Stellen der Logistik Vorgänge reproduzieren. So werden Fehler vermieden, die zu Verzögerungen führen – und schaffen damit mehr Raum für Flexibilität. Zudem können Unternehmen ihre Prozesse agil gestalten und so schneller auf ihre Kundschaft und Marktanforderungen reagieren.
Automatisierte Prozesse reduzieren Komplexität, schaffen Transparenz und ermöglichen Zusammenarbeit. Zudem helfen sie, Ressourcen zu schonen, beispielsweise durch bessere Nutzung vorhandener Transportkapazitäten. Nachhaltige Verkehrskonzepte ermöglichen das Umrouten von Sendungen, eine spätere Abholung oder den Einsatz unterschiedlicher Verkehrsträger. Bestände werden automatisch erfasst und Nachfragezyklen prognostiziert, um beispielweise mehr Paketzusteller einzusetzen, falls nötig. Dazu tragen auch Fahrzeuge bei, die miteinander vernetzt sind, ihren Standort teilen und eventuelle Änderungen in der Tourenplanung sofort melden.
All dies gibt Planern neue Entscheidungsgrundlagen durch validere und vollständigere Informationen. Die Folge: Die Kosten sinken. Gleichzeitig führen neue Services, etwa bei der Analyse und Interpretation von Daten, zu mehr Kundenzufriedenheit. Neue Geschäftsfelder und Umsatzpotenziale können auf dieser Grundlage entstehen. Denn die Digitalisierung benötigt nicht nur Daten, sondern produziert diese auch – die dann wiederum entweder ausgewertet oder selbst zum Produkt und zukünftig vermarktet werden können.
Die Zukunft ist schon da
Die Digitalisierung ist keine Zukunftsmusik: In der Intralogistik sind autonom agierende Fahrzeuge bereits Wirklichkeit geworden. Behälter erfassen mit integrierter Kameratechnik ihren Füllstand und bestellen automatisiert Ware nach.
Damit die Digitalisierung in der Logistik erfolgreich weiter Einzug hält, braucht es laut BVL vor allem vier Dinge: Eine gute Datenqualität, die Bereitschaft, Daten zu teilen, die konsequente Umsetzung einer gut konzipierten Digitalstrategie und vor allem den Willen, die Menschen mitzunehmen. So kann die Branche die immer komplexeren Warenströme beherrschen, produktiver werden und Kundenwünsche in kürzester Zeit auch individuell erfüllen.