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Elektrifizierter Lieferverkehr rechnet sich

Bild: Robert Domina

Bild: Robert Domina

Berlin, 23. Februar 2022

Regionalen Lieferverkehr elektrifizieren

Laut einer Studie des Fraunhofer ISI anhand von Echtdaten im REWE-Fuhrpark kann sich die Elektrifizierung regionaler Lieferverkehre bezahlt machen. Die Betreiber von Verteiler-Fuhrparks zögern aber noch.

In einer Machbarkeitsstudie zur Elektrifizierung des regionalen Lieferverkehrs, die auf echten Unternehmensdaten basiert, hat das Forschungsinstitut Fraunhofer ISI im Auftrag der europäischen Umwelt- und Verkehrsdachorganisation Transport & Environment (T&E) nachgewiesen, dass die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs wirtschaftliche Vorteile verspricht. Anhand der Logistik der REWE Group in der gesamten Region Nord-Ost Deutschland wurde gezeigt, dass dort knapp 60 Prozent der Fahrzeugflotte elektrifizierbar seien. Für rund 40 Prozent sei der Umstieg auf E-Trucks sogar mit ökonomischen Vorteilen verbunden.

„Nach der Auswertung aller 9.500 Lkw-Touren zu über 540 Logistik-Punkten steht fest: Die aktuell verfügbaren Reichweiten von Batterie-Lkw reichen oft heute schon aus, um alle in der Studie analysierten städtischen Lkw-Touren und fast die Hälfte der betrachteten regionalen Touren mit E-Lkw zu schaffen. Mit einer optimierten Routenplanung und zusätzlichem Zwischenladen ist das Potenzial sogar noch größer. Bei schweren Lkw über 26 Tonnen mit sehr langen Tagestouren bleibt die Elektrifizierung nach Stand des heutigen Fahrzeugangebots allerdings noch eine Herausforderung", erklärte Patrick Plötz, der die Machbarkeitsstudie am Fraunhofer ISI geleitet hat.

All-in im Verteilerverkehr

Auch die Lkw-Hersteller haben das Potenzial der Elektromobilität für den Verteilerverkehr erkannt. Renault Trucks Deutschland etwa will ab dem Frühjahr 2022 die Modelle für den Verteilerverkehr, den Renault Trucks D und den D Wide, nur noch als batterieelektrische Fahrzeuge anbieten. Varianten mit Dieselmotor würden nicht mehr vertrieben, heißt es.

Grundlage für diese Entscheidung sei sowohl die erprobte Marktreife der seit 2020 in Serie produzierten Lkw als auch die Förderung von bis zu 80 Prozent der Mehrkosten eines E-Lkw im Vergleich zum Diesel-Äquivalent. Durch dieses Förderprogramm würden die Gesamtbetriebskosten eines E-Lkw zunehmend attraktiv. Folglich gelte diese strategische Ausrichtung aber nur für den deutschen Markt.

Renault Trucks Deutschland will seine Verteiler-Lkw, den Renault Trucks D und den D Wide, nur noch batterieelektrisch anbieten. Bild: Robert Domina

Die Flotten reagieren langsam

Und wie reagiert dieser Markt? Interessiert, aber nicht elektrisiert, könnte man sagen. Der Logistikdienstleister Dachser etwa will bis Ende 2023 mindestens 50 zusätzliche batterieelektrische Lkw auf die Straße bringen. Auch die Erprobung von Lkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellentechnik soll im Rahmen von Pilotprojekten forciert werden. Spätestens ab 2023 sollen erste Fahrzeuge verschiedener Hersteller dann im Dachser-Netzwerk unterwegs sein.

Im Dachser-Stückgutnetzwerk kämen batterieelektrische Fahrzeuge derzeit vor allem im Rahmen der Stadtbelieferung zum Einsatz, heißt es. Neben elektrisch unterstützten Lastenrädern seien in Europa bisher vor allem Elektro-Fahrzeuge mit bis zu 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht in täglichen Verkehren unterwegs. Aktuell setzt das Unternehmen lediglich in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart ein Vorserienmodell des 19-Tonners eActros im Rahmen einer Innovationspartnerschaft mit Daimler ein.

„Den Einsatzbereich der emissionsfreien Lkw weiten wir in diesem Jahr auf regionale Verkehre und insbesondere Shuttle-Transporte aus. Außerdem wollen wir batterieelektrische Hoffahrzeuge für das Umsetzen von Wechselbrücken und Sattelaufliegern in unseren Niederlassungen nutzen“, so Alexander Tonn, Chief Operations Officer (COO) Road Logistics bei Dachser.

Industrie und Handel testen noch

Auch der deutsche Baustoffhändler Stark Deutschland GmbH (ehemals Saint-Gobain Building Distribution Deutschland GmbH) ist noch in der Testphase. Ende November nahm man einen vollelektrisch betriebenen 26-Tonner mit elektrischem Mitnahmestapler für einen Praxistest in Betrieb. Gemeinsam mit der Hochschule Fulda, Industriepartnern und Kunden sollen in den kommenden Monaten Daten gesammelt werden, um das Potenzial von E-Lkw im Lieferverkehr zu untersuchen.

„Wir freuen uns, dass wir mit Stark Deutschland einen zukunftsorientierten Kooperationspartner für das Projekt gewonnen haben. Unser Forschungsgebiet ist wichtiger denn je und der Praxistest ein wichtiger Schritt in Richtung der Nachhaltigkeit, die wir erreichen wollen“, so Prof. Dr. Boris Zimmermann, Leiter des Forschungsprojektes und Professor für BWL mit Schwerpunkt Logistik an der Hochschule Fulda. Zu den Lieferantenpartnern, die das Projekt unterstützen, gehören Villeroy & Boch, Ardex, PCI, Wedi, Otto Chemie, Knauf, Bosch, OWA, Sakret, Richter Systeme, Quandt und Rockwool.

Der batterieelektrische eActros wird von Daimler Truck seit Oktober 2021 im Werk Wörth am Rhein in Serie gefertigt. Bild: Tobias Schweikl

Mit Vollstrom voraus

Der E-Lkw im Zentrum des Projektes ist ein Sondermodell der Marke MAN: Der MAN eTGM. Ausgestattet mit einem 264-kW-Elektromotor besitzt der E-Truck eine effektive Reichweite von 150 bis 200 Kilometern. Zusätzlich ist das Fahrzeug mit einem Mitnahmestapler der Marke Moffett ausgestattet, der eine Traglast von bis zu 2,5 Tonnen aufweist und mit einem 13-kW-Elektromotor betrieben wird. Einsatzgebiet ist die Rhein-Main-Region, mit Ladestationen in den Raab Karcher Niederlassungen in Frankfurt am Main und Darmstadt.
Da bereits mehr als 95 Prozent der rund 260 Niederlassungen im Markennetzwerk von Stark Deutschland mit Ökostrom betrieben werden, verbessert sich die Klimabilanz des Projektes zudem durch das Betanken mit grüner Energie. Insbesondere in urbanen Gegenden stellt zudem die Reduktion der Geräuschbelastung einen enormen Vorteil dar.

Skandinavien fährt vor

Etwas weiter auf dem Weg zur Elektrifizierung scheint Skandinavien zu sein. So hat das Reederei- und Logistikunternehmen DFDS jüngst 125 elektrische Lkw bei Volvo geordert. Die Auslieferung der Fahrzeuge ist für das vierte Quartal 2022 geplant. Wie es heißt, sind die E-Trucks für Transporte im europäischen Logistiksystem von DFDS vorgesehen.

Für Niklas Andersson, Executive Vice President und Head of Logistics Division DFDS stellen grüne Investitionen in die Schwertransportindustrie eine Vorbedingung dar, um die für das Unternehmen, für die Kunden und die Gesellschaft ganz allgemein nötigen Emissionsreduzierungen erreichen zu können. Die Partnerschaft mit Volvo Trucks ermögliche es DFDS weitere, unter den Kunden bereits stark nachgefragte, Transportlösungen mit geringen Emissionen anzubieten.

Mit einem Volvo FM E-Truck können laut Hersteller an einem Arbeitstag und mit einer beispielweise während der Mittagspause erfolgten schnellen Nachladung bis zu 500 Kilometer gefahren werden. Der Volvo FM Electric hat ein Bruttokombinationsgewicht von bis zu 44 Tonnen und kann entweder über Nacht am Heim-Depot oder über High-Power-Schnellladung auf der Strecke geladen werden.

Volvo Trucks hat bereits 2019 mit der Serienproduktion von E-Lkw begonnen. Im Portfolio des Truckherstellers sind nun insgesamt sechs elektrische Lkw-Modelle gelistet: Volvo FH, Volvo FM, Volvo FMX, Volvo FE, Volvo FL und Volvo VNR, wovon letzterer in Nordamerika verkauft wird.

Volvo Trucks hat bereits 2019 mit der Serienproduktion von E-Lkw begonnen. Bild: Robert Domina

Digital, autonom und elektrisch

Auch der erste Großauftrag von Daimler Trucks kommt aus dem Norden Europas. Nach dem Produktionsstart des batterieelektrischen eActros im Werk Wörth am Rhein im Oktober 2021 hat das schwedische Transport-Tech-Unternehmen Einride 120 Fahrzeuge bei den Schwaben geordert.
Einride ist Spezialist für den digitalisierten, elektrischen und autonomen Transport und will die Flotte, bestehend aus Modellen des Typs eActros 300 und eActros 400, bei Kunden in europäischen Schlüsselmärkten einsetzen. Daimler will die lokal CO2-neutralen Fahrzeuge für den schweren Verteilerverkehr ab Mitte 2022 ausliefern.

Die Batterien des eActros bestehen wahlweise aus drei (eActros 300) oder vier Batteriepaketen (eActros 400), die jeweils eine installierte Kapazität von 112 kWh und eine nutzbare Kapazität von rund 97 kWh bieten. Mit vier Batteriepaketen hat der eActros 400 laut Hersteller eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern.
Technologisches Herzstück des Elektro-Lkw ist die Antriebseinheit, eine elektrische Starrachse mit zwei integrierten Elektromotoren und Zwei-Gang-Getriebe. Die beiden flüssigkeitsgekühlten Motoren generieren eine Dauerleistung von 330 kW sowie eine Spitzenleistung von 400 kW. Hinzu kommt, dass bei vorausschauender Fahrweise durch Rekuperation elektrische Energie zurückgewonnen werden kann. Der eActros 300 kann mit bis zu 160 kW geladen werden: Die drei Batteriepakete benötigen an einer üblichen DC-Schnellladesäule mit 400 A Ladestrom etwas mehr als eine Stunde, um von 20 auf 80 Prozent geladen zu werden.

Belieferung im Lebensmitteleinzelhandel

Auch von DAF kommen erste Meldungen über ausgelieferte E-Lkw. So hat im Großraum Budapest die WIN Capital Group kürzlich fünf elektrisch angetriebene Sattelzüge des Herstellers in Betrieb genommen. Die Fahrzeuge sind für die Belieferung von Aldi-Filialen vorgesehen.

Die Antriebe seien speziell für dieses Projekt umgebaut worden, um Waren im Umkreis von 230 Kilometern schadstoffarm anliefern zu können. In zwei Stunden können die Akkus vollständig aufgeladen werden. Aldi will mit der Lösung monatlich 3.600 Liter Diesel pro Einheit einsparen. Im Rahmen der Kooperation werden zudem fünf exklusiv designte Cool Liner von Krone mit den vollelektrischen Sattelzugmaschinen kombiniert.

Ein Ausweg bei Fahrverboten

Der schwedische Nutzfahrzeughersteller Scania hat den ersten Einsatz eines vollelektrisch angetriebenen Verteiler-Lkws in Deutschland bekanntgegeben. Ende November 2021 übernahm Bona Deutschland mit Sitz im hessischen Limburg a. d. Lahn den E-Truck. Der Spezialist für hochwertige Systemlösungen rund um Fußböden will damit einen Beitrag für eine nachhaltige City-Logistik in der Domstadt leisten. Für den Einsatz habe man vorab den Bedarf und das Einsatzgebiet des Kunden Bona analysiert, und anschließend ein Fahrzeug konfiguriert. Der batterieelektrische Lkw soll als City-Shuttle auf vier bis fünf Touren täglich fertige Produkte von der Produktionsanlage im Süden der Stadt in das knapp sechs Kilometer entfernte Distributionszentrum im Norden transportieren und bietet 21 Euro-Paletten Platz.

Interessant wurde der E-Lkw für Bona Deutschland, weil in Limburg aufgrund zu hoher Stickstoffdioxidwerte ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge ab April 2022 im Raum steht. Die Emissionsfreiheit und der geräuscharme Antrieb waren weitere Argumente. Der E-Motor des Fahrzeugs leistet bis zu 230 kW (312 PS), womit sich das zulässige Fahrzeuggewicht des Dreiachsers von 26 Tonnen gut bewegen lassen soll.
Die Energie liefern fünf Module an Lithium-Ionen-Akkus, die jeweils mit einer Kapazität von 33 kW/h aufwarten. Unter optimalen Bedingungen sind die Antriebsbatterien mit der Gesamtkapazität von 165 kW/h für eine Reichweite bis zu 110 Kilometern ausgelegt, im realen Fahrbetrieb seien 70 bis 90 Kilometer zu erwarten. Da beim City-Shuttle in Limburg ein Arbeitstag üblicherweise nur zwischen 50 und 60 Kilometer beträgt, genüge die Kapazität.

Den Strom für das Fahrzeug liefert künftig eine Photovoltaik-Anlage auf dem Gelände des Distributionszentrums. Geladen wird dieser mit Gleichstrom im CCS2-Standard, bei einer Ladeleistung von bis zu 130 kW, womit die Akkus bei 20 Prozent Kapazität in einer guten Stunde vollständig aufgeladen sein sollen. Ein Zwischenstopp von einer halben Stunde an der Ladesäule liefert Strom für weitere 50 oder 60 Kilometer.

Pünktlich und in hoher Qualität

Einen Newcomer hat sich DB Schenker als Partner für die Elektrifizierung ausgesucht. Der Logistikdienstleister hat fast 1.500 vollelektrische Lkw vom Typ Volta Zero beim Start-up Volta Trucks vorbestellt. Das sei der bisher bedeutendste Auftrag für große emissionsfreie Lkw in Europa, so der Hersteller.
„Auf dem Weg zur Klimaneutralität haben wir viele Herausforderungen zu meistern. Die groß angelegte Partnerschaft mit Volta Trucks ermöglicht es uns, die Elektrifizierung unserer Flotte enorm zu beschleunigen und in nachhaltige, umweltfreundlichere Transportlösungen zu investieren, was uns unserem Ziel einer klimaneutralen Logistik deutlich näherbringt", erklärte Cyrille Bonjean, Executive Vice President Landtransport bei DB Schenker in Europa.

Im Rahmen der Partnerschaft wird DB Schenker im Frühjahr und Sommer 2022 die ersten Prototypen von Volta Zero Trucks bei Kunden unter realen Vertriebsbedingungen einsetzen. Die Erkenntnisse aus diesen Tests werden in die Serienproduktion von 1.470 Fahrzeugen einfließen, die in der neuen Auftragsfertigung von Volta Trucks in Steyr in Österreich gebaut werden.

Aus Sicht von Essa Al-Saleh, Chief Executive Officer von Volta Trucks, bestätige der Auftrag, dass die großen Logistikunternehmen dem Hersteller zutrauen, ein emissionsfreies Fahrzeug „pünktlich und in höchstmöglicher Qualität zu liefern.“

Der vollelektrische 16-Tonner Volta Zero wird unter anderem im Ruhrgebiet und in anderen europäischen Terminals von DB Schenker eingesetzt, um Waren von den Verteilerzentren in die Innenstädte und städtischen Gebiete zu transportieren. Die Einführung soll an zehn Standorten in fünf Ländern beginnen. Im Rahmen der Partnerschaft werden auch die Spezifikationen der bereits angekündigten 12-Tonner-Variante des Volta-Zero gemeinsam entwickelt.