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Eiskalt unterwegs

Spätestens während der Corona-Pandemie wurde es für alle offensichtlich: Medikamente und Medizinprodukte müssen in ausreichender Menge zum richtigen Zeitpunkt an die Orte geliefert werden, an denen sie dringend benötigt werden. Und das weltweit. Doch Pharmaerzeugnisse wie Impfstoffe oder spezielle Geräte erfordern einen besonders sensiblen Transport – und stellen Logistikunternehmen vor ganz spezielle Herausforderungen.

Corona, Krebs, Rheuma – das sind nur drei von vielen Krankheiten, für die länder- und kontinentübergreifend Medikamente und Therapiegeräte transportiert werden müssen. Der Gesundheitssektor wächst seit Jahren: Die Bruttowertschöpfung lag hier 2020 bei knapp 364,5 Milliarden Euro, wie der Bericht Gesundheitswirtschaft: Zahlen und Fakten  des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) zeigt. Das entspricht mehr als 12,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Anteil der Gesundheitswirtschaft an den gesamten Exporten aus Deutschland beträgt 8,8 Prozent – und das in einer Branche, deren Hauptarbeit der direkte Dienst am Patienten ist.

Von klinischen Versuchen bis hin zu Herstellung, Transport, Lagerung und endgültiger Verabreichung durch örtliches Gesundheitspersonal:

Die Reise eines Impfstoffes

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„Phygitaler“ Wandel bringt Innovationen

Auch weltweit boomt die Branche: Allein die Ausgaben für Arzneimittel stiegen von 2006 bis 2022 von 658 auf 1.430 Milliarden US-Dollar weltweit wie Statista aufzeigt. In kaum einer anderen Branche wird so viel geforscht und werden so viele Innovationen erzeugt wie in der Gesundheitswirtschaft. Die Alterung vieler Gesellschaften weltweit, der bessere Zugang zu Medizinprodukten, technischer Fortschritt und die Zunahme der Kaufkraft lassen den Markt in vielen Ländern schneller als ihr Bruttoinlandsprodukt (BIP) anwachsen. Bis zum Jahr 2030 prognostizierte Roland Berger schon 2008 ein Wachstum des Gesundheitssektors auf 20 Billionen Dollar.

In seiner Studie von 2021 sagt das Beratungsunternehmen voraus, dass schon 2026 nur für digitale Gesundheit die globalen Ausgaben eine Billion Euro betragen werden. Die Covid-Pandemie hat zusätzliche Nachfrage nach Impfstoffen und lebensrettenden Medikamenten geschaffen – der Markt für Medizin und Pharmaprodukte ist resistent gegenüber globalen wirtschaftlichen Schwankungen.

Roland Berger konstatiert einen „phygitalen“ Wandel, der physische Innovationen in Mechanik, Elektrik, Biologie und Chemie mit Neuerungen der digitalen Welt verbindet. Letzteres betrifft zum Beispiel die Früherkennung von Krankheiten und den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Medizin. So können beispielsweise mRNA-Impfstoffe oder Zell- und Gentherapien gegen Krankheiten wie Krebs oder schwere Virusinfektionen eingesetzt werden.

Lückenlose Kontrolle und funktionierende Kühlkette

Diese Innovationen bringen hochsensible Produkte hervor, die eilig zu den Patienten gebracht werden müssen. Sie werden per Luftfracht oder auf dem Seeweg befördert, aber immer muss auch ein Teil der Strecke über die Straße bewältigt werden. Das Wichtigste hierbei: Alle Arzneimittel müssen unversehrt an ihrem Ziel ankommen. Da heutzutage die Produktion von Medikamenten an mehreren Standorten auf der Erde stattfindet, müssen auch Teilprodukte oder Vorstufen medizinischer Erzeugnisse ihren Weg zur nächsten Herstellungsetappe nehmen.

Doch während der Fahrt können viele Faktoren die Heilung bringende Fracht beschädigen: Sauerstoff, Druck, Vibrationen, Feuchtigkeit, Licht oder Röntgenstrahlen ­sind einige davon. Als wichtigste Voraussetzung für einen schadfreien Transport kann wohl die richtige Temperierung der Umgebung während des Transports und der Zwischenlagerung von Impfstoffen, Tabletten, Tinkturen, Salben und Co. angesehen werden.

Denn eines muss unbedingt gewährleistet sein: Alle Arzneimittel müssen die Patienten so erreichen, dass ihre therapeutischen Fähigkeiten vollständig erhalten bleiben. Das schreiben auch die Regulierungsbehörden vor: Hersteller müssen die Kontrolle der Produktqualität bis zum Zeitpunkt der Patientenbehandlung nachweisen. Ihre Kontrollfunktion in der Lieferkette endet erst, wenn das Produkt beim Apotheker oder im Krankenhaus angeliefert wird.

In der heutigen Zeit ist der sichere Transport von hochwertigen, komplexen Sendungen im Gesundheitswesen wichtiger denn je.

UPS Healthcare Cold Chain at Work

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Safety first

Also müssen Logistikanbieter Pharmaerzeugnisse trotz unterschiedlichster klimatischer Bedingungen innerhalb bestimmter Toleranzen transportieren. Logistikunternehmen statten ihren Fuhrpark deshalb mit Fahrzeugen aus, die die von den Herstellern auf der Verpackung angegebenen Temperaturen gewährleisten und nach GDP zertifiziert sind. GDP – Good Distribution Practice of medicinal products for human use – wurde 2013 von der Europäischen Kommission in Kraft gesetzt. Sie verlangt von Transporteuren während des Transportprozesses die Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorkehrungen. Außer der Einhaltung der Temperaturvorgaben sind besonders Diebstahl, Bruch und Beschädigungen zu vermeiden. Auch während Zwischenlagerung und Ab- oder Umladen der Ware muss dies gewahrt werden. Müssen die Produkte zwischen mehreren Transportetappen gelagert werden, sollen die Lagerzeiten so kurz wie möglich sein.

Logistiker und Transportunternehmen reagieren auf diese Vorgaben und Herausforderungen mit unterschiedlichen Maßnahmen. Zum einen werden die Fahrzeuge entsprechend ausgerüstet: Kühlauflieger, Kühlchassis, Sensoren zur Temperaturüberwachung, Telematik-Systeme sind nur einige Ausstattungsmerkmale, die Sattelzüge, Lkw und Transporter für die Auslieferung von Medizinprodukten auszeichnen.

Empfindliche medizinische Geräte müssen während des Transport besonders vor Beschädigung geschützt werden. Foto Darko Stojanovic / Pixabay

Heizungen und Kühlanlagen

Webasto bietet zum Beispiel an, Fahrzeugflotten maßgeschneidert nach den gesetzlichen Vorgaben mit Heiz-, Klima- und Transportkühllösungen auszurüsten. Dazu gehören Luftheizungen, Klimaanlagen, Transportkühlanlagen und entsprechende Bedienelemente und Steuerungseinheiten, mit denen die Temperaturverhältnisse im Laderaum auf Knopfdruck vom Fahrersitz aus geregelt werden können, ebenso wie Datenlogger für das Tracking und die Aufzeichnung der vorgeschriebenen Temperaturbereiche.

Um Beschädigungen zu vermeiden, müssen die Produkte entsprechend verstaut werden. Flüssige Medikamente in Glasverpackungen müssen zum Beispiel so platziert werden, dass ihre Ladungsstabilität gesichert ist und leere Zwischenräume mit Verpackungsmaterial geschützt werden. Medizinprodukte wie Werkzeuge, Geräte, Materialien, Reagenzien oder Zubehörteile müssen ebenso sensibel gepackt werden. Das stellt Logistikunternehmen nicht selten vor große Herausforderungen, da Medizingeräte oft keine Standardmaße haben und als Ladung mit Übergröße gelten.

Zwischenlagerung ist fast so kompliziert wie der Transport selbst

Auch für die Zwischenlagerung müssen besondere Vorkehrungen getroffen werden: Echtzeitüberwachung, präzise Lokalisierung und Priorisierung medizinischer Sendungen in den Logistikzentren gehören zum Beispiel dazu. Einige Unternehmen wie UPS Healthcare gehen noch weiter. Der Logistikdienstleister plant für 2023 die Eröffnung einer Niederlassung in Gießen, die speziell für Sendungen für den Gesundheitssektor ausgerüstet wird: Auf einer Fläche von fast 25.000 Quadratmetern sollen Gesundheitsprodukte bei Temperaturen von 2°C bis 8°C, 15°C bis 25°C und bis zu -20°C gelagert werden können.  Lieferung am gleichen Tag und Hilfe bei einer schnellen Verzollung gehören für das Unternehmen aus Atlanta ebenso zum Service wie für Wettbewerber dhl. Letzterer bietet auch temperaturgeführte Verpackungen oder einen Transport in Trockeneis an.

Alle Dienstleister eint vor allem eines: Das Bestreben, lebensnotwendige Produkte pünktlich, makellos und unbeschädigt zu liefern, denn das ist für Kranke das Wichtigste.