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Bereit für die Wasserstoffzukunft?

Welche Probleme gilt es zu lösen, wenn man zukünftig Wasserstoff für mobile Anwendungen einsetzen will?

Welche Probleme gilt es zu lösen, wenn man zukünftig Wasserstoff für mobile Anwendungen einsetzen will?

Bereits 1966 präsentierte General Motors mit dem Electrovan das erste Brennstoffzellenauto, das aber Demonstrationsobjekt blieb. Daimler tat sich in den 1980er-Jahren für die Entwicklung eines fahrzeugtauglichen Brennstoffzellensystems mit Ballard Power Systems zusammen. Das Ergebnis der Zusammenarbeit wurde 1994 präsentiert: ein umgebauter MB-100-Kastenwagen, der neben den Tanks nur noch Platz für zwei Personen bot – ohne Gepäck.

Viel weiter gekommen ist die Brennstoffzelle für mobile Anwendungen bis heute nicht. Im wichtigen Pkw-Bereich sind es von den großen Herstellern nur Toyota mit dem Mirai und Hyundai mit dem Nexo, die aktuelle Serienmodelle in bislang sehr übersichtlichen Zulassungszahlen auf dem Markt gebracht haben. Der Hyundai-Konzern konzentriert sich bei Autos in jüngster Zeit mehr auf den reinen Elektroantrieb, auch Daimler ist wenigstens beim Pkw aus der Brennstofftechnik ausgestiegen. Nur Toyota hält hier noch die Fahne hoch – lässt sich aber auch alle Optionen hinsichtlich eines vollelektrischen Antriebstrangs offen.

Fliegen mit Wasserstoff

Der Hintergrund ist klar: Die Lithium-Ionen-Batterie hat in den vergangenen zehn Jahren eine rasante technische Entwicklung genommen. Die wichtigsten Trümpfe des Wasserstoffantriebs – Reichweite und Tankzeit – gehen also im Pkw-Bereich dahin. Wie sieht es aber bei anderen mobilen Anwendungen aus? Eine Studie der Technologieorganisation VDE hat ermittelt, dass auf nichtelektrifizierten Nebenstrecken ein Batteriezug gegenüber dem Brennstoffzellenpendant über eine Laufzeit von 30 Jahren bis zu 59 Mio. Euro günstiger in Anschaffung und Betrieb ist. Kaum anzunehmen also, dass Letzterer eine echte Option ist.
Besser sieht es hinsichtlich des Wasserstoffeinsatzes in der Luftfahrt aus.

Airbus hat im September 2020 die ersten drei Designentwürfe seines unter dem Codenamen „ZEROe“ laufenden Wasserstoffflugzeugprogramms vorgestellt – geplanter Serienanlauf 2035. Da ist zunächst eine Propellermaschine, mit der bis zu 100 Passagiere auf Kurzstrecken von mehr als 1.850 km unterwegs sein können. Die Turboprop-Antriebe sollen durch die Verbrennung von Wasserstoff in modifizierten Gasturbinentriebwerken mit Energie versorgt werden. Als nächstes eine Düsenmaschine, die 120 bis 200 Passagiere mehr als 3.700 km weit befördern könnte. So ein Modell wäre z.B. für Reisen innerhalb Europas ausreichend. Auch hier würden die Triebwerke durch die Verbrennung von Wasserstoff angetrieben. Ein solcher Flieger wäre eine Art Nachfolger des Erfolgsmodells A320, der allerdings bisher auf eine Reichweite jenseits der 5.000 km kommt. Und als Drittes ein Blended-wing-body-Flugzeug, also ein Nurflügler, bei dem ein breiter Rumpf und die Tragflächen ineinander übergehen. Bei ihm wäre laut Airbus die Reichweite vergleichbar mit derjenigen beim A320. Langstreckenflugzeuge dürften allerdings auch auf mittlere Sicht nicht mit Wasserstoff fliegen. Das liegt daran, dass die nötigen Tanks in den Maschinen zu groß wären – sofern man nicht verflüssigten Wasserstoff (LH2) mit einer hohen Dichte von 71 kg/m³ einsetzen kann, der allerdings im flüssigen Zustand bei -253 °C gespeichert werden muss.

Hoffnungsschimmer aus der Schweiz

Wie aber sieht es bei Schwerlast-Lkw aus? Tatsächlich ist die Wasserstofftechnologie dank ihrer Langstreckentauglichkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht des Antriebsstrangs für solche Einsatzzwecke prädestiniert. Allerdings müssen für die Umsetzung zwei Parameter verbessert werden: die Kosten für die Brennstoffzellensysteme und den Treibstoff.

Metallische Bipolarplattenstacks sind enorm teuer und können nur ab Produktionszahlen von 100.000 Stück und mehr kostengünstiger hergestellt werden. Ein Hoffnungsschimmer für größere Stückzahlen ist daher das Pilotprojekt von Hyundai in der Schweiz. Bis 2025 will der koreanische Fahrzeughersteller zusammen mit dem Schweizer Unternehmen H2 Energy (H2E) im gemeinsamen Joint Venture Hyundai Hydrogen Mobility bis zu 1.600 Brennstoffzellen-Lkw vom Typ H2 Xcient auf die eidgenössischen Straßen bringen. Die ersten 46 Einheiten sind bereits unterwegs. Die Brennstoffzellen-Trucks werden in einem Pay-per-Use-Modell vermietet, damit die Flottenkunden nicht die hohe Anfangsinvestition tätigen müssen.

Der 18-Tonner – mit Trailer 34 t – verfügt über einen Elektromotor mit 350 kW Spitzenleistung und einem maximalen Drehmoment von 3.400 Nm. Das 2021 modifizierte Brennstoffzellensystem leistet 180 kW in Form von zwei parallel geschalteten 90-kW-Stacks. Sieben Hochdruckwasserstofftanks sorgen für eine Speicherkapazität von ca. 31 kg bei 350 bar. Das reicht pro 8- bis 20-minütigem Tankvorgang für eine Reichweite von rund 400 km.

Für die Produktion von grünem Wasserstoff, dessen Speicherung sowie die Lieferung an Tankstellen wurde Anfang 2019 eigens Hydrospider gegründet. An diesem Joint Venture sind Alpiq, H2 Energy und Linde beteiligt. Die 2-MW-Elektrolyseanlage zur Produktion von grünem Wasserstoff beim Alpiq-Wasserkraftwerk Gösgen wurde Ende 2019 in Betrieb genommen.

Die Schweiz wurde übrigens nicht zufällig für dieses Pilotprojekt ausgewählt. Einer der Gründe ist die eidgenössische LSVA-Straßensteuer auf Nutzfahrzeuge, die für emissionsfreie Lkw nicht gilt. So soll der Brennstoffzellen-Truck auf gleiche Transportkosten pro Kilometer kommen wie ein Dieselpendant.

Für einen flächendeckenden Einsatz der Brennstoffzellentechnik müssen sowohl Brennstoffzellensysteme als auch Treibstoffversorgung noch optimiert werden. Bild: Claus Bünnagel

Skaleneffekte eminent wichtig

Skaleneffekte sind also sehr wichtig bei der Etablierung von Brennstoffzellensystemen. Das gilt auch für die Bereitstellung grünen Wasserstoffs, denn nur der macht Sinn – im Gegensatz zu grauem (aus Erdgas), blauem (aus Erdgas mit CO2-Abtrennung und -Einlagerung) und türkisem Wasserstoff (aus thermischer Spaltung von Methan mit Nebenprodukt festem Kohlenstoff). Heute kostet ein Kilogramm rund 9,50 Euro, wenn es aus Erdgas, also „grau“ hergestellt wird.

Teurer ist es bei der Erzeugung mittels Elektrolyseure mit rund 11 bis 12 Euro – Werte also, die einen wirtschaftlichen Einsatz von Brennstoffzellen unmöglich machen. Mit einem MW-Elektrolyseur wie in der Schweiz lassen sich laut der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) derzeit Preise zwischen 6 und 7,50 Euro erzielen – je nach Stromeinkaufspreis zwischen 30 und 50 Euro/MWh. Erst mit einem Elektrolyseur in der Größenordnung von 400 MW – den es aber noch nicht gibt – käme man an die Schwelle der Wirtschaftlichkeit bei Kilogrammkosten von 3,60 bis 4,80 Euro. Das alles funktioniert jedoch nur zu diesen Preisen, wenn die teuren Elektrolyseure rund um die Uhr laufen – Wind und Sonne sind aber volatil, was bei geringeren Produktionsraten zu steigenden Börsenpreisen führt und die Herstellung des Wasserstoffs somit verteuert. Außerdem müssen laut NPM Kosten von ca. 0,43 Euro/kg für seinen Transport addiert werden.

Insgesamt ist nämlich eine umfangreiche Infrastruktur nötig (Quelle für die nachfolgenden Daten: der Think Tank Agora Energiewende). Mit in Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen hergestelltem Strom wird wie gesehen per Elektrolyse Wasserstoff produziert, der komprimiert oder verflüssigt werden muss. Über Lkw, Schiffe und Rohrleitungen gelangt er zu den Tankstellen und Fahrzeugen, wo die Brennstoffzellen ihn wiederum in Strom verwandeln. Schon bei der Stromübertragung gehen ca. 5 % der Energie verloren. Die Elektrolyse besitzt einen Wirkungsgrad von rund 70 %, sodass 67 % des eingesetzten Ökostroms in Wasserstoff verwandelt werden. Weitere Verluste ergeben sich bei der Kompression und dem Transport. Die Brennstoffzelle besitzt im günstigsten Fall einen Wirkungsgrad von 60 %, der Elektromotor von 85 % und die Mechanik von 95 %. Am Ende der Kette bleiben nur noch 26 % der eingesetzten Energie für den Vortrieb übrig – ähnlich wie beim Diesel. Im Vergleich das vollelektrische Fahrzeug: Hier sind es mindestens 69 %.

Nach aktuellen Simulationen sollte ein Stadtbus auf relativ einfachem Terrain mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 18 km/h eine Durchschnittsleistung der Brennstoffzelle von 25 kW für die Traktion abrufen können. Bild: Claus Bünnagel

Praxisbeispiel Stadtbus

Angelehnt an die End-of-Live-Definition bei Batterien spricht man auch hinsichtlich von Brennstoffzellenstacks bei Absinken der Kapazität auf 80 % vom End of Live – meist bei oberhalb von 20.000 Betriebsstunden. Geht man davon aus, dass ein Stadtbus auf ca. 4.000 Betriebsstunden im Jahr kommt, ist bereits ab fünf Jahren mit einem Wechsel der Brennstoffzellenstacks zu rechnen. Allerdings könnte man vergleichbar zur Traktionsbatterie von vollelektrischen Fahrzeugen auch eine Bipolarplatte komplett recyceln oder sogar wiederaufbereiten und erneut verbauen.

Die Frage ist natürlich auch, in welcher Form die Brennstoffzellentechnik im Busflotteneinsatz Verwendung findet. Ein interessanter Ansatz ist die Hybridisierung. Dabei dient die Brennstoffzelle nicht alleine als Hauptenergieversorgung im Antriebsstrang, sondern wird mit einer klein bis mittelgroß dimensionierten Batterie kombiniert.

Konkret bedeutet dies, dass die für den Antrieb benötigte Energie maßgeblich aus der Batterie kommt. Insbesondere die bei der Beschleunigung auftretenden Lastspitzen werden dadurch dem Elektromotor zur Verfügung gestellt. Die Brennstoffzelle wiederum sorgt dafür, dass die Akkus konstant mit der elektrischen Energie aus dem umgesetzten Wasserstoff geladen werden. Dadurch kann die Grundlast des Fahrzeugs je nach Auslegung nicht durch die Batterie, sondern durch den Wasserstoff bereitgestellt werden.

Das Hybridsystem lässt sich so ausgelegen, dass es die Durchschnittsleistung des Fahrzeugs abbildet. Diese ist signifikant geringer als gemeinhin angenommen. So weist z.B. ein innerstädtischer Fahrzyklus eines deutschen Verkehrsbetriebs für einen Stadtbus bei voller Passagierauslastung eine Spitzenleistung von 223 kW und eine Durchschnittsleistung von lediglich etwa 24 kW für den Antrieb auf. Dazu kommen noch der Energiekonsum der Nebenverbraucher, vor allem des Thermomanagements.

Und selbst bei einem typischen Gelenkbus mit einem Spitzenleistungsbedarf von fast 340 kW liegt der durchschnittliche Leistungsbedarf bei nur ca. 35 kW. Darauf ausgelegt würden eine 50-kWh-Batterie kombiniert mit einem 45-kW-Brennstoffzellen-Range-Extender und 30-kg-Wasserstofftank ausreichen. Besonders attraktiv gerade hinsichtlich eines vollelektrischen Busses: Diese Kombination kommt lediglich auf ein Gewicht von rund 1.500 kg für das Energiesystem.

Die höchste Belastung hat ein solches Fahrzeug, wenn es an einem Randstein steht und anfahren muss: Dann tritt die maximale Anforderung für die Batterie auf – und das ist das Kriterium für ihre Auslegung. Ein wichtiger weiterer Aspekt betrifft die Rekuperation – gerade auf Bergabpassagen: Wenn der Bus bremst, treten leicht Leistungen von 250 bis 300 kW auf, die die Batterie aufnehmen muss. Auch die Lösung über einen Bremswiderstand ist nicht eine wirkliche, da man so eine kurzfristig anfallende Wärmeleistung nicht umsetzen kann für die Beheizung des Businnenraums.

Nach aktuellen Simulationen sollte ein Stadtbus auf relativ einfachem Terrain wie beispielsweise der Linie 51 in München mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 18 km/h – was dem SORT-2-Zyklus entspricht – eine Durchschnittsleistung der Brennstoffzelle von 25 kW für die Traktion abrufen können. Für die Klimatisierung sind noch einmal 10 kW zu veranschlagen, um 30 kW Kälteleistung zu erzeugen. Insgesamt ist also eine Brennstoffzellenleistung von 35 kW nötig – mit Reserven 40 bis 45 kW. Das reicht für einen 12-m-Bus auf flachen Linien. Für einen Gelenkbus sollte man 60 bis 75 kW Brennstoffzellenleistung einrechnen. Eine solche Kalkulation bildet gleichzeitig das Optimum an Kosten.

Denn mit steigenden Stückzahlen wird irgendwann die Kostenkurve geschnitten – sprich die spezifischen Leistungskosten machen es sinnvoll, höhere Brennstoffzellenleistungen zu verwenden. Die Batterie wird in dem Paket immer benötigt: zum Starten und beim Rekuperieren. Wie die Relation von Brennstoffzelle und Batterie im Endeffekt sein sollte, muss der Fahrzeugbauer selbst entscheiden.

Fazit

Die Brennstoffzellentechnologie steht mittlerweile in den Startlöchern, wenn auch noch nicht letzte technische Aspekte wie eine zufriedenstellende Lebensdauer gepaart mit den noch zu hohen Systemkosten bei den Stacks gelöst sind. Bis die Brennstoffzelle aber ihren Siegeszug bei Nutzfahrzeuganwendungen antreten könnte, muss wie eigens erwähnt vor allem der Wasserstoffpreis sinken. Bei großen produzierten Mengen legt sich das natürlich auf die Kostensituation beim Wasserstoff um – wesentliche Einflussgröße ist daher vor allem der Strompreis. Windfarmen, die nun aus der EEG-Förderung herausfallen, könnten also in Zukunft Wasserstoff produzieren.