etruck beim laden

E-Mobilität: Laden auf dem Betriebshof

Elektrisch angetriebene Lkw und Busse stehen bei den meisten Nutzfahrzeugherstellern auf der Angebotsliste. Wie aufwendig und teuer der Aufbau einer Ladeinfrastruktur auf dem Betriebshof ist, erklärt ein Experte von Mercedes-Benz Trucks.

Elektrisch angetriebene Lkw und Busse stehen bei den meisten Nutzfahrzeugherstellern auf der Angebotsliste. Wie aufwendig und teuer der Aufbau einer Ladeinfrastruktur auf dem Betriebshof ist, erklärt ein Experte von Mercedes-Benz Trucks.

Unternehmen, die ihren Fuhrpark mit E-Lkw oder Bussen ergänzen wollen, spielen oft mit dem Gedanken, die Fahrzeuge auf dem Betriebshof zu laden. Jan Wohlmuther, verantwortlich für das eConsulting bei Mercedes-Benz Trucks, und sein Team unterstützen Kunden beim Aufbau der nötigen Ladeinfrastruktur. „Gemeinsam mit dem Kunden erarbeiten wir zunächst ein Anwendungskonzept; auf Basis seiner Routen und Schichtplanung wird ein Einsatzprofil erstellt, damit Strecke und Ladeinfrastruktur zusammenpassen“, berichtet Wohlmuther. Wer über Nacht im Depot laden kann, braucht nicht für jeden Lkw eine teure 160-kW-Schnellladesäule, in diesem Fall reichen auch 50 kW Ladeleistung.

Auch Rainer Schmitt, Geschäftsführer von Logistik Schmitt in Bietigheim, setzte sich mit den Experten von Daimler zusammen. Seit 2019 testet die Spedition einen Prototyp des Mercedes-Benz eActros. Geladen wird derzeit an einem mobilen Ladegerät mit 80 kW Leistung. „Mobile Geräte sind für den Testbetrieb eine gute Lösung, aber sie sind in der Leistung limitiert. Zudem ist das Handling einer Ladesäule komfortabler“, sagt Wohlmuther. Bald erhält Schmitt einen neuen eActros der zweiten Generation, und das Fahrzeug wird gefordert: „Über 300 Kilometer täglich soll er im Dreischichtbetrieb zurücklegen, entsprechend schnell müssen wir laden können“, sagt Schmitt und ergänzt: „Dafür haben wir zunächst einen Fahrplan erstellt, auf welcher Strecke der Lkw eingesetzt werden soll, wie viele Kilometer wir am Tag fahren und wie lang die Ladestopps sein können.“ Auf dem Betriebshof in Bietigheim wird nun eine Schnellladesäule mit 160 kW Leistung installiert. Am Speditionsstandort befindet sich bereits ein Trafohäuschen mit entsprechenden Kapazitäten, entsprechend kurz sind die Leitungswege.

Je besser die Planung, desto besser die Ladeinfrastruktur

Kunden, die noch ganz am Anfang stehen, rät Wohlmuther: „Je besser die Planung und je mehr Gedanken man sich vorher macht, desto besser und günstiger wird die gesamte Ladeinfrastruktur.“ Denn Aufwand und Kosten verhalten sich nicht proportional – die Hälfte der Leistung ist nicht halb so teuer. Und wer wegen schlechter Planung in drei Jahren noch einmal den Betriebshof aufbaggert, hat doppelte Kosten. Zwar gilt es, Reserven einzuplanen, aber eine zu große Dimensionierung verursacht unnötige Kosten. Es lohnt also, sich über das eigene Geschäftsmodell der nächsten fünf oder zehn Jahre Gedanken zu machen: Wird man neue Kunden gewinnen, neue Routen bedienen, wie gut ist man finanziell aufgestellt?

Die Planung steht, nun muss der Netzbetreiber an Bord geholt werden. Sofern vom Kunden gewünscht, erledigt das bei Mercedes-Benz Trucks das eConsulting-Team, das im deutschsprachigen Raum mit Siemens Smart Infrastructure und lokalen Installationspartnern zusammenarbeitet. „Der Netzbetreiber prüft die Gegebenheiten vor Ort und erweitert, falls nötig, den Netzanschluss. Im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflichten werden diese Anträge in der Regel erfüllt. Die Kosten werden über den Baukostenzuschuss auf den Erzeuger umgelegt“, sagt Wohlmuther.

Bei einer Anschlussleistung von total unter 250 kVA (zirka 200 kW) handelt es sich in der Regel um einen Niederspannungsanschluss. Das dazugehörige Trafohäuschen befindet sich dann meistens auf der Straße. Von dort werden die Kabel zum Hausanschluss und zu den Ladesäulen verlegt. „Beim Verlegen auf dem eigenen Betriebshof kann man darauf achten, die Kanäle etwas größer zu dimensionieren. So kann später noch ein weiteres Kabel eingezogen werden“, sagt Wohlmuther. Bei Anschlussleistungen jenseits von 250 kVA, also bei zwei Ladesäulen mit jeweils 160 kW Leistung, ist meistens ein Mittelspannungsanschluss samt eigenem Trafo nötig. Bei geeigneter Infrastruktur können im Idealfall zwischen Planungsbeginn und Inbetriebnahme rund vier Monate vergehen. Sind größere Umbauarbeiten durch den Netzbetreiber nötig, können es auch 18 Monate werden.

Je besser die Planung, desto besser und günstiger wird die Ladeinfrastruktur. Foto: Daimler

Bis zu 80 Prozent Förderung für die Ladeinfrastruktur

Mit gut 250.000 Euro rechnet der Mercedes-Benz Trucks eConsulting-Chef – je nach örtlichen Gegebenheiten – für den Aufbau der Infrastruktur samt neuem Trafo und Kabeln vom Mittelspannungsring für fünf Säulen mit je 160 kW Leistung. Die Ladesäulen kosten extra: je nach Modell und Ausstattung pro 150-kW-Schnelllader 60.000 bis 100.000 Euro. Günstiger wird es mit 50 kW Ladeleistung, eine Ladesäule schlägt dann mit rund 20.000 bis 40.000 Euro zu Buche. Das BMVI trägt bis zu 80 Prozent der Kosten für die Planung und den Aufbau der Ladeinfrastruktur. Die meisten Betreiber sehen es ohnehin als langfristiges Investment in die Zukunft. „In unserer Wahrnehmung ist das für Kunden ein erwartbarer Posten, aber sie sind natürlich froh, dass es die Förderung gibt“, weiß Experte Wohlmuther.

Der Logistik-Dienstleister Contargo setzt auf Elektromobilität und will weiter investieren. 2019 schaffte das Unternehmen in Duisburg zwei E-Lkw an und lädt sie mobil. 2020 errichtete Contargo in Neuss eine Schnellladesäule mit 150 kW Leistung. Geladen wird mit Ökostrom. „Wir wollen unsere E-Lkw-Flotte vergrößern und dafür 15 weitere Ladesäulen aufbauen“, berichtet Kristin Kahl, bei Contargo zuständig für Nachhaltigkeit. Dank bis zu 250 kW Ladeleistung sollen die Batterien schnell gefüllt sein, während der Lkw eine Pause von bis zu 15 Minuten einlegt. Um Leistungsspitzen abzufangen, ist es ratsam Pufferspeicher einzuplanen. „Solche Speicher sind momentan zwar nur mit Förderung bezahlbar, verhindern dafür die Erhöhung der operativen Kosten“, sagt Kristin Kahl.